Triumph der Turbine

Die Stadionuhr zeigt 17:31 Uhr. Absolute Stille am Volksparkstadion. Der erfahrene Alt-Abraxe Uli Ömmes Suermondt läuft an. Der Ball kommt näher, das Tor wird immer kleiner. Die Nerven versagen. Ömmes drischt das Leder in den Hamburger Abendhimmel!

Um ihn herum der Jubel der Sieger. Ömmes kniet am Elfmeterpunkt, seine Mannschaftskameraden wollen trösten. Er nimmt es nicht wahr. Er ist der einsamste Mensch. Mit diesem Elfer schoß sich Ömmes in die lange Liste der prominenten Versager: Uli Hoeneß, Uli Stielike, Erich Beer ...


"Turbinho wunderbar" - so feierten die ausgewiesenen Fachleute von den Erwin-News den längst überfälligen Turniersieg der Turbine. Eine Verneigung vor der Truppe, die ob ihrer überaus souveränen Spielweise von Gegnern, Zuschauern und Experten einhellig als das "Ballett in Margeritenhosen" bezeichnet wurde. Und es gab wohl kaum jemanden am Volksparkstadion, der den Jungs vom Schloßberg ihren ersten Turniersieg nicht gegönnt hätte - im Gegenteil: Alle Anwesenden feierten die überlegene Mannschaft, die sich hier selbst die Erwin-Krone aufsetzte.

Sportliche und organisatorische Spitzenleistungen

Das erste Hamburger Turnier war wohl der Erwin-Höhepunkt der 90er Jahre - sowohl sportlich als auch organisatorisch. Rund um das Volksparkstadion ging nichts mehr: überfüllte Parkplätze, verstopfter Elbtunnel, verspätete Sonderzüge. Das Erwin-Turnier zog die Fans magisch an. Kein Wunder: Das Sportfest fand schließlich zum ersten Mal im fußballerischen Ödland statt. Organisationschef Giese Giesemann: "Darauf haben hier alle gewartet. Wir sind dankbar, dass uns das Erwin-Komitee die Chance gegeben hat. Gerade für diese Region äußerst wichtig. Wir Krabbenpuler kennen doch sonst nur Schach oder Schweinebaumeln." Traditionsmannschaften und Neulinge trafen sich im üblichen Rahmen, die Hamburger Organisatoren hatten sich einiges einfallen lassen: So waren 27 unbenannte Helfer die ganze Nacht unterwegs, um acht Tore zu besorgen, es gab erstmals Eckfahnen auf allen Plätzen und Kreidemeister Sven Lüpke markierte vier rechteckige Felder und erzählte dann jedem, der es nicht wissen wollte: "Die gleichen sich wie ein Ei (!) dem anderen."


Vor dem Finale: die Abraxas Old Stars und die Jungs von der Turbine


Vorrunde und Viertelfinale

Es war das bis dahin wohl stärkste Teilnehmerfeld, das sich morgens im Schatten des Volksparkstadions warmmachte. Wie immer wurde die Riege der Traditionsmannschaften von ambitionierten Neulingen flankiert: Neben Lok Dammtor und Empor Elend war auch Torpedo Truchtaring aus München erstmals dabei. Die Lederhosen fielen übrigens gleich beim Warmlaufen durch aggressive Spieleraquise negativ auf.

Sang- und klanglos: Ugly Nobby Stiles Combo und Ewige Lampe

Die Favoriten konzentrierten sich dagegen aufs Wesentliche, für den Titelverteidiger Ugly Nobby Stiles Combo hieß das: schon in der Vorrunde an die Grenzen gehen - vergebens, denn das 2:2 im abschließenden Spiel gegen Väter und Söhne aus Troisdorf bedeutete für die erfolgsverwöhnten Düsseldorfer um Boris, Didi und Kongo faktisch das Aus: Nur Platz zwei in der Gruppe - im Viertelfinale wartete nämlich jetzt Angstgegner Turbine.

    Ugly Nobby Stiles Combo: Frühes Aus im Volkspark

Zwei Minuten reichten dem späteren Turniersieger, um den Titelverteidiger auszuschalten: Nach einem Warnschuß gegen das Lattenkreuz machten die kombinationssicheren Neubeurer den Sack in der zweiten Halbzeit mit drei Unhaltbaren zu. Da mußte auch Ugly-Teamchef Kongo Müller den Strohhut ziehen: "Nur die hervorragende Torhüterleistung und das Gebälk verhinderten eine frühe Entscheidung, meine Mannschaft sah sich dem Anrennen der übermächtigen Turbine hilflos ausgesetzt, fand keine Mittel."


Kongo Müller: Immer genug Vitamine

Auch die andere Düsseldorfer Mannschaft konnte dem eigenen Anspruch nicht gerecht werden und der Grund liegt auf der Hand: Die Herren von der Ewigen Lampe sind es einfach ein wenig zu locker angegangen. Als sich das sportliche Desaster bereits im zweiten Spiel ankündigte, sonnten sich Tappi und O noch in den Erfolgen anderer. Am Ende reichten die erstolperten zwei Pünktchen zum schmeichelhaften dritten Platz in Gruppe 1.


Tappi und O: so nicht, meine Herren - so nicht!

Die sogenannten Kleinen: Hier gibt es sie noch

Wie bereits angesprochen, verdient das legendäre 2:2 der Väter und Söhne gegen die Ugly Nobby Stiles Combo besondere Erwähnung. Die Alt-Jung-Mischung aus Troisdorf hatte nämlich keiner auf der Rechnung. Umso überraschter war der Titelverteidiger, dass ein Ein-Tore-Vorsprung hier nicht reicht. Die Väter und ihre Söhne glichen zweimal aus und hielten danach aufopferungsvoll den immer wütender vorgetragenen Angriffen der Düsseldorfer stand.

Der Panther von Troisdorf (3. v.l. stehend) mit Vätern und Söhnen

Es war die Stunde des Panthers: Klaus Zimmermann wurde in diesem Spiel zur Legende und zum Panther von Troisdorf. Sein Kasten stand in der zweiten Halbzeit unter Dauerbeschuß, er parierte alles! Mit übermenschlichen Reflexen und großen Gesten ließ er den Gegner verzweifeln und verzückte die mittlerweile hinter seinem Tor versammelten Torhüter der anderen Mannschaften. Trotz des Unentschieden schieden die Väter und Söhne nach diesem Spiel aus und verließen unter frenerischem Beifall den Platz. Bravo!

Es geht aber auch anders: Die Sherlocks aus Berlin traten auch schon zum wiederholten Male an - und verabschiedeten sich saft- und kraftlos. Die Berliner Polizeireporter hatten die Nacht fasziniert dem regen Treiben rund um die Davidwache gewidmet und sind mental wohl nie auf dem Platz angekommen.

Torten überraschten mit Kuchen

Es gibt sie noch, die echten Amateure: Selbst während der Vorrunde gingen die Torten von Zicken Kicken ihrer Alltagsbeschäftigung nach, verkauften hausgemachten Kuchen. Ein Fan: "Mit Klinsis WM-Brot kann man doch höchstens einen Verteidiger erschlagen. Ich steh auf Zicken-Kuchen!"


Ratlosigkeit: Kein Zicken-Kuchen mehr da

Der lag den Spielerinnen allerdings selbst schwer im Magen: Das Aus kam schon in der Vorrunde, trotz überraschender taktischer Varianten wie dem "Hamburger Kessel" und dem von 150 Zuschauern bejubelten ersten Punktgewinn der Zicken beim 3:3 gegen die Mutties aus Berlin.

Hamburger Tristesse

Achselzucken und lange Gesichter bei den anderen Mannschaften von der Alster: Sowohl die hochgehandelten Fünf Freunde als Gruppenerste als auch die als Gruppenzweiter überraschend ins Viertelfinale gerutschten Jungs von Six Pack mußten erkennen: Mehr ist einfach nicht drin.


Katze Krüdener: Aus im Viertelfinale -  gegen Münchner!

 Die symphatischen Freunde von der Bernstorffstrasse mußten sich nach hartem Fight den überaus ruppig agierenden Torpedos von der Isar knapp geschlagen geben, für Six Pack war der spätere Finalist Abraxas Old Stars einfach eine Nummer zu groß. Was aber das dritte Eisen im Feuer der Hanseaten - Volle Pulle - bei ihrem ersten Auftritt vor heimischen Publikum geritten hat, wissen sie wohl nicht mal selbst: letzter Platz in der Gruppe 3 mit 1:5 Punkten und 3:7 Toren! Da zogen sogar die Neulinge von Empor Elend an ihnen vorbei - allerdings konnten auch die Elenden die Ehre der Hafenstädter nicht retten. Und auch der zweite Hamburger Neuzugang - Lok Dammtor um Stahlfuß Götz Büttgen - mußte im Viertelfinale gegen die Mutties die Segel streichen. Die Zuschauer und Experten waren sich einig: Lok Dammtor ist an der eigenen Steinzeit-Taktik gescheitert - die war komplett ohne Überraschungen und nur einen Mann - nämlich Götz selbst - ausgerichtet. Thomas Stahmer nach seinem Spiel gegen Dammtor: "Für wie dumm halten die uns eigentlich?" Es war wohl einfach nicht der Tag der Hamburger.

Halbfinale

Für die einen der größte Erfolg der Vereinsgeschichte, für die anderen nur eine lästige Station auf dem Weg ins Finale: Die Mutties waren wohl selbst am meisten überrascht, dass sie soweit gekommen waren und betrachteten das Halbfinalspiel gegen die Turbine als willkommene Lehrstunde. Sie zeigten von der ersten Minute an, dass sie mit ihrem Abschneiden vollauf zufrieden waren und stellten für den späteren Sieger keine wirkliche Hürde dar. Nach dem klaren 3:0 meinte Andreas von den wie immer ohne einen einzigen Fan aus Berlin angereisten Mutties: "Es ist schon toll, den Turbine-Jungs zuzusehen - ich bin sehr glücklich!"

Auch die Abraxas Old Stars trafen auf eine Mannschaft, die niemand im Halbfinale erwartet hatte: Torpedo Truchtaring. Die Münchner waren durch das gesamte Turnier durch ihre überaus harte Gangart aufgefallen, hatten schon in der Vorrunde Tommi Mühlbauer von der Turbine spielunfähig getreten und spätestens mit dieser Aktion den Unmut des gesamten Volksparks auf sich gezogen. Ein hartes Stück Arbeit für die Old Stars, doch am Ende zeigten die Werkskicker aus der Tequila Bar den Münchnern mit einem klaren 2:0 wo die Weißwurst wächst.

Herzschlagfinale - Entscheidung im Elfmeterschießen

Um 17.32 Uhr war alles vorbei: Uli "Ömmes" Suermondt hatte seinen Elfmeter verschossen, die Entscheidung! Es war der Schlußpunkt in einem dramatischen Endspiel, das gar nicht so furios begann.


Triumph im Volkspark: Die Turbine holt den Pott nach Hause

Zunächst verhaltenes Abtasten, erste Pfiffe von den Rängen. Doch mit einem Gewaltschuß in der sechsten Minute beendet Turbines Neueinkauf Fritz Harms das Geplänkel: Abraxas-Keeper Alfred kann nur abklatschen - genau vor die Füße von Maxi Schierstädt. Der eiskalt - hämmert die Kirsche über den Goalie ins Netz. Jetzt wachen beide Mannschaften auf, bieten dem Publikum den erwarteten offenen Schlagabtausch. Die Hintermannschaften halten dicht, bis zum katastrophalen Fehler von Turbines Rübe Cremer, der unbedrängt als letzter Mann den Ball vertändelt. Uwe Kastens läßt sich nicht zweimal bitten und kommt Cremers Aufforderung nach: Er schiebt den Ball zum 1:1 in der 15. Minute ein. Machtlos Keeper Krake von Werthern, Cremer läßt sich sofort auswechseln, engagierte Ordner schützen ihn vor den Angriffen der aufgebrachten Turbine-Fans. Von jetzt an verschanzt sich die gesamte Abraxas-Mannschaft im eigenen Strafraum, verteidigt das Unentschieden mit Mann und Maus und hält so den wütenden Angriffen der Turbine bis zum Schlußpfiff stand. Elfmeterschießen! Für die Turbine treffen Norbert Schramm, Ente Zimmermann und Lars, für Abraxas Uwe und Daniel. Spielstand 4:3. Jetzt hängt alles an Ömmes ...

Die tragische Figur: Uli "Ömmes" Suermondt

Die Bilder zum Turnier: